Das iPad wird vom Stapel gelassen. Die Zukunft beginnt! Aber ich prognostiziere nicht, dass jeder bald seine Bücher auf dem iPad ließt. Bücher lesen sich nunmal besser auf Papier. Und Jahre nach dem ersten Lesen bemerkt man, etwas ganz anderes und würde andere Sätze unterstreichen oder andere Notizen hinzufügen. Sicher geht das mit dem iPad auch (irgendwann). Jedoch löscht man nichts vom Papier so einfach wie man leichtfertig eine Datei löscht! Die Diskussionen um den Verfall der Printmedien halte ich für grundlos, denn nach dem Einbruch des Tonträgerverkaufs haben sich sinnvolle Vertriebsalternativen im Netz gefunden. Zurzeit sind iBooks aber noch visionär und keinesfalls als revolutionär zu bezeichnen. Dieser Markt muss erst eine Nachfrage generieren. Apple ist dabei nicht alleine. Stichwort: Amazon und Kindle. Jedoch hat es bis zur Etablierung des iTunesStores auch gedauert.
In erster Linie sehe ich einen ersten großen Verwendungszweck im Bildungsbereich: Das iPad könnte eine ideale Lösung für Schüler und Studenten bieten. Lehrbücher und Schulbücher könnten problemlos mitgeführt und den Kursen entsprechend eingestellt werden. Es könnte den Block für Notizen ablösen und Hausarbeiten würden natürlich direkt auf dem iPad geschrieben.
Das iPad ist der Prototyp einer universale Konsole. Vollgepackt mit Sensoren können Programmierer das Ding nach Lust und Laune auf alle erdenklichen Situationen zuschneiden. Eine Schnittstelle zur digitalen Wolke, die nicht nur alle Daten verfügbar macht, sondern auch Zugang zu vernetzten Ressourcen ermöglicht. Stichwort: Dezentrale Rechnerleistung. Lass Google rechnen, während ich mir auf meinem Computer einen Film ansehe.
Kritiker prophezeien eine dunkle Utopie wie George Orwell sie bereits für 1984 ankündigte.
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„Experten“ sprechen von „digital natives“. Dieser Begriff beschreibt Menschen, die mit der virtuellen Welt aufwachsen, sich dort aufhalten und über die notwendige Medienkompetenz verfügen. Und genau diese Menschen, die bereits die Arbeitswelt verändern, indem sie Kaffeehäuser und Parkbänke zu ihren Büros erklären, winken ab, wenn sie die Befürchtungen glühender Datenschutzverfechter hören. Sie wissen um die Verantwortung mit ihren Daten sensibel zu verfahren und halten BackUp nicht für die Wiedererlangung der Fahrtüchtigkeit nach einem Rausch.
Die Vorstellung in einer großen Kaffeehauskette jemanden gegenüber zu sitzen, der sich mit dem iPad über die Sturrbock-App einen TripleWipperKräuterbutterrahm-Yuppie-Shake bestellt, fällt nicht schwer. Eingehende Chatnachrichten werden mit dem Kommentar „Bin am Arbeiten!“ weggeklickt und nebenbei wird durch iTunes geblättert, weil in der letzten Ausgabe des Playboy-Abos ein Artikel über die angesagtesten Top-50-MustHave-Apps steht. Und falls der Film für die morgige Projektvorführung noch über Nacht exportiert werden muss, öffnet man die Apple-App und beauftragt den heimischen iMac mit dieser Aufgabe. Zwischendurch werden die neusten EA-Games auf die sehr besondere Art des iPads gezockt. Die Wii hat sich immerhin mit ihrer innovativen Steuerung auch etabliert. Der Unterschied zum iPad macht sich deutlich, wenn man versucht im Zug damit zu spielen. Sicherlich amüsant, aber umständlich. Und spätestens wenn man mit einer Spielkonsole nach einem Backrezept suchen möchte, stößt man an die Grenzen der Technik. Das iPad wirkt da quasi wie die perfekte Backbuchkonsole! Mit einer Back-App sucht man ein Rezept und vielleicht stellt man schon sehr bald die Teigschüssel einfach aufs iPad, weil nicht nur GPS, WIFI, KOMPASS, BESCHLEUNIGUNGSMESSER, sondern THERMOMETER, HYDROMETER, LASER oder ULTRASCHALLZOLLSTOCK und eben auch eine WAAGE eingebaut sind.
Die große Frage ist, wo bleibt die Revolution? Der Marketinghype der Firma Apple ist nicht revolutionär. Apple betreibt durch geschickte Werbung nur ein Branding für den stilisiert globalisierten Alltag. 1984 war Apples Werbestrategie ebenso offensiv wie heutzutage. Und Apple ist keine Ausnahmeerscheinung: Nike schaffte es vor rund 20 Jahren mit Schuhen, die mit Luft gefüllt waren. Ganz nebenbei, man kann Nike-Schuhe mit iPods koppeln. Der Prozessor des iPads kann revolutionär sein. Apple hat vor einiger Zeit eine kleine Prozessorschmiede gekauft, deren Fokus auf ultramobile Geräte gerichtet war. Nerds fragen sich, wieviel Know-how von Apple kam und welches Wissen mit dem Firmenkauf erworben wurde. Das Gerücht köchelt hoch, Apple wolle auf Dauer der Intel-Schlange, ihrem exklusiven Prozessorzulieferer, den Kopf abschlagen.
Die wahre Revolution liegt in der Unmittelbarkeit der Interaktion und sie schleicht sich leise in den Alltag. Der Mensch ist ein Nutzenmaximierer, der nützliche Werkzeuge nur ungerne ablehnt. Daher sehe ich für das iPad als universelle Konsole einen Markt. Und das obwohl ich denke, dass Steve Jobs nur die Fernbedienung verkauft, mit der Bill Gates seine Umgebung konfiguriert. Ich komme zu dem Schluss, dass ich es mir kaufe, sobald der Funktionsumfang als iWatch aufs Handgelenk portiert wurde.